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Jungwildrettung auf der Insel Rügen - ein Pilotprojekt zwischem dem Jagdverband Rügen e. V. und Sven Lamprecht

In den Monaten Mai und Juni 2019 fand auf der Insel Rügen ein Pilotprojekt, durchgeführt vom Jagdverband Rügen e.V. (www.KJV-Ruegen.de) und Drohnenpiloten Sven Lamprecht (www.IrreCams.de), statt. Auf der Insel wurden von Sven Lamprecht Grünlandflächen mit einer Drohne überflogen welche mit einer Wärmebildkamera ausgestattet war um Wildtiere (vornehmlich Rehkitze, Junghasen und bodenbrütende Vogelarten) auf den Flächen zu finden und anschließend zu sichern. Ziel war es den Verlust von Wildtieren bei der Mahd zu verringern und somit einen Beitrag zum Tier- und Artenschutz zu leisten.

 

Technik
Zum Einsatz kam ein selbst konstruierter Quadrocopter mit 14 Zoll Rotoren. Verbaut war ein Pixhawk 2.1 Flugcontroller mit 3-fach redundanter Sensorik, dieser wurde durch Arducopter Software gesteuert. Das Abfluggewicht inkl. Kamera lag je nach Akkugröße zwischen 3,0 und 3,3 kg. Die resultierenden Flugzeiten lagen je nach Akku und Bedingungen zwischen 14 und 33 min. Als
Wärmebildkamera wurde eine FLIR Vue Pro 336 mit 9 mm Objektiv eingesetzt. Die Kamera wurde über einen 3-Achsen Gimbal stabilisiert und gesteuert. Ein Livebild der Kamera wurde über einen analogen 5,8 GHz Videosender auf einen 7 Zoll Bildschirm am Boden übertragen.

 

Ablauf
Die Planung des Einsatzes erfolgte 1 bis 2 Tage vorher. Am Tag der Mahd traf sich Sven Lamprecht mit 1 bis 3 Helfern in der Nähe des Einsatzortes, ca 30 bis 60 min vor Sonnenaufgang. Vor Ort wurde die abzusuchende Fläche bzw. Teilfläche in der App QgroundControl abgesteckt. Die App berechnete daraus automatisch ein Suchraster und Wegpunkte, die auf die Drohne geladen wurden. Anschließend wurde die Drohne gestartet und der Flug automatisch durchgeführt. Die Flüge wurden bei einer Flughöhe von 50 m durchgeführt. Das Suchraster wurde mit Bahnen im Abstand von 28 m bei einer Fluggeschwindigkeit von 8 m/s abgeflogen, sodass pro Minute ca. ein Hektar überflogen werden konnte.

 

Sobald ein Wärmepunkt auf dem Monitor auftauchte, wurde die Drohne gestoppt und direkt über  diesem positioniert. Ein Helfer ging dann zu diesem Punkt und wurde auf den letzten Metern mittels Handfunk eingewiesen. So konnten Tiere auch in hohem Gras sicher gefunden werden. Sobald die Helfer die Tiere gefunden hatten, flog die Drohne das Suchraster weiter und die Helfer sicherten das
Tier. Auf welche Art und Weise die Tiere durch die Helfer gesichert wurden, entschieden Jäger und Landwirte vor dem Einsatz. In den Meisten Fällen wurden die Tiere auf benachbarte Grünflächen oder in angrenzende Gehölzflächen versetzt.

 

Ergebnisse
Es wurden 24 Einsätze mit einer Gesamt-Flugzeit von 20,6 Stunden geflogen. Die abgesuchte Fläche betrug 558 Ha, wobei pro Einsatz zwischen 2 und 48 Ha abgeflogen wurden, was im Schnitt ca. 23 Ha pro Einsatz betrug. Es konnten 82 Rehkitze gefunden und identifiziert werden, wobei einige von ihnen vor den Helfern flüchteten und nicht versetzt werden konnten. Es gab zu 21 Einsätzen ein Feedback der Landwirte ob und wieviele Wildtierverluste bemerkt wurden. Nach unserem Wissen sind 3 Rehkitze auf den abgesuchten Flächen verloren gegangen. Davon waren 2 Tiere schon älter und ließen sich nicht mehr einfangen, sie wurden von der Wiese auf angrenzende Areale vergrämt. Ein Tier konnte gefangen und auf eine Nachbarwiese gesetzt werden. Nach Ende der Flüge sind alle 3 Tiere eigenständig wieder in die Wiesen gelaufen und konnten nicht mehr rechtzeitig vor dem Mähwerk flüchten. Es ist nicht bekannt, dass Rehkitze auf den Grünflächen um kamen, weil sie nicht von der Drohne gefunden wurden.

 

Trotz großen Bemühungen und diversen Abwandlungen bei den Flug- und Suchparametern konnten weder Hasennester noch bodenbrütende Vögel gefunden werden. Durch Gespräche mit den Landwirten sind jedoch 6 Hasennester bekannt, welche durch die Mahd verloren gingen. Alle 6 Nester wurden nach Aussage des Landwirtes an einem Tag übermäht. Aufgrund starken Nebels konnte an diesem Tag erst ab ca. 11 Uhr geflogen werden. Durch die fortgeschrittene Tageszeit hatten sich die Wiesen bereits erwärmt, was die Interpretation des Wärmebildes stark erschwerte bis unmöglich machte.

 

Diskussion
Im Lauf der 2 Monate hat sich gezeigt wie effektiv und fehlerresistent die Befliegung mit einer Wärmebildkamera sein kann, wenn ein paar Bedingungen eingehalten werden. Die wichtigste Bedingung ist dabei eine nächtlich abgekühlte Landschaft, weshalb sehr früh geflogen werden muss. Sobald die Sonne aufgegangen ist, wird das Grünland erwärmt. Zum einen verringert sich nun der Termperaturunterschied zu ruhenden Tieren und zum anderen erwärmen sich die Grünflächen in Abhängigkeit von ihrer  Beschaffenheit unterschiedlich stark. Vor allem die unterschiedlich starke Erwärmung lässt unzählige Wärmepunkte auf der Oberfläche entstehen, welche die eindeutige Identifizierung von Tieren praktisch unmöglich macht. Dieser Effekt tritt bei direkter
Sonneneinstrahlung schneller auf, aber auch an bedeckten oder nebligen Tagen ist die Auswertung des Wärmebildes wenige Stunden nach Sonnenaufgang praktisch unmöglich. Ferner spielt die Witterung eine wichtige Rolle. Konstruktionsbedingt ist das Fliegen bei Regen nicht möglich. Aber auch das Fliegen bei Nebel stellt ein Problem dar. Zum einen wird die Drohne während
des Fliegens nass (Kondenswasser bildet sich dort, wo die Nebeltröpfchen auf die Drohne prallen), und zum anderen werden die Funksignale vom Nebel absorbiert und die Reichweite beträchtlich verringert. Außerdem sinkt der Kontrast im Wärmebild, weil der Nebel ebenfalls die Infrarotstrahlung absorbiert und die Signale im Wärmebild verschlechtert. Starker Wind war hingegen kein Problem. Es wurden mit dem verwendeten Quadrocopter Problemlos Einsätze bei 5 bis 6 Windstärken geflogen.

 

Dass während der Einsätze keine Hasennester gefunden werden konnten liegt vermutlich an der geringen Größe in Kombination mit hohem Gras. Während ein Rehkitz oder ein ausgewachsener Hase das Gras zur Seite drückt und eine Liegekuhle bildet, ist das bei einem Hasennest nicht zu erwarten. Direkt über den Junghasen befindet sich also keine offene Stelle im Gras, statt dessen wird
die Wärmeabstrahlung der Tiere vermutlich weitestgehend durch die Halme abgeschirmt. Bei besonders hohem Gras wurden ähnliche Effekte bei ruhenden Rehkitzen beobachtet, die eine Wärmeabstrahlung zeigten, welche wesentlich kleiner war als ihre Körpergröße. Ähnliche Effekte sind vermutlich auch Schuld daran, dass keine bodenbrütenden Vögel gefunden werden konnten.
Neben Rehkitzen wurden Althasen als einzige Tiere regelmäßig gefunden. Ihre Größe und die Erscheinung im Wärmebild sind ähnlich der Wärmesignatur eines Rehkitzes, sodass es oft zu einem falschen Alarm führte und die Helfer unnötigerweise zu der Fundstelle gehen mussten. Erst kurz bevor die Helfer die Stelle erreichten flohen die Tiere.

 

Andere Fehlfunde waren oft größere Steine, Maulwurfshaufen oder auch Liegestellen, die kürzlich verlassen wurden. Diese waren zwar nur wenige Grad Celsius wärmer als das umgebende Grünland, dennoch war die Kamera in der Lage sie eindeutig anzuzeigen. Um sicher zu sein, dass es sich um kein Tier handelt, musste ein Helfer hin gehen und die Stelle inspizieren. Das kostet wertvolle Flugzeit und Kraft, vor allem bei den Helfern.

 

Um sowohl kleinere Tiere zu finden als auch die Fehlerrate zu verringern, wurde mit alternativen Flug- und Suchrasterparametern experimentiert. Bei einer Flughöhe von 15 m und geringer Fluggeschwindigkeit konnten sogar Mäuse in einem Getreidefeld beobachtet werden. Aufgrund der begrenzten Flugzeit der Akkus und der kurzen Zeit nach Sonnenaufgang ist es aber nicht möglich mit diesen Parametern größere Flächen abzusuchen. Die Flug- und Suchrasterparameter sind also ein Kompromiss zwischen Flächenleistung des Systems und Detektierbarkeit von kleinen Wärmequellen.

Fotoserien

Jagdverband Rügen & Sven Kamphus (FR, 07. Februar 2020)

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Di, 02. Juni 2020

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